Informatives: Erfahrungsberichte
Telefonbesuchsdienst mit meinen zwei Klienten vom Jugend am Werk:
(3.4. - 8.5.2020)
Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass mich die Telefonate mit meinen Klienten sehr positiv überrascht haben. Kurz zu den Klienten: Der eine hat das Down-Syndrom (Klient A) und der andere leidet an Epilepsie, mit stark verzögerten körperlichen wie auch geistigen Reaktionen (Klient B).
Vereinbart waren Anrufe 2-3x pro Woche zu je 20 Minuten immer zur gleichen Uhrzeit. Kaum klingelte es, hoben sie sofort ab und ich hörte eine sehr fröhlich klingende Stimme, die sich über meinen Anruf freute. Der Klient A erzählte mir wie er den Tag gestaltete, von Musik und DVD schauen über Sport machen bis zu "es sich gemütlich machen". Mein Klient B reagierte hauptsächlich auf Fragen, zB über das Mittagessen oder Fragen nach seinem Wohlbefinden wie auch seinem Tagesablauf, auf die er dann mit Ja/Nein/Wirklich antworten kann. Manchmal sprach er auch 3-5 Sätze hintereinander, was in persönlichem Kontakt eher eine Seltenheit ist.
Für mich als ihre Begleiterin war es sehr schön mitzubekommen, dass ich in der Corona Zeit meine Klienten auf diese Art und Weise unterstützen konnte. Sie haben sich immer sehr gefreut und ich bekam ein sehr positives Feedback. Sie mochten beide das Telefonieren und es fiel ihnen leichter, mir etwas zu erzählen.
Videobesuchsdienst von Begleiter Richard:
Ich besuche meine Klientin vier Mal pro Woche via Skype. Sie hat ein Tablett zuhause, das sie mit Hilfe der Heimhilfe wunderbar benutzen kann. Um möglichst gute Ton und Bildqualität zu haben, habe ich mir auch extra eine Webcam besorgt.
Der Besuchsdienst läuft immer sehr gut ab. Oft sagt sie so Sachen wie: "Bitte hohl doch mal die Zeitung", in der Annahme, dass ich auch physisch präsent sei. Es scheint also wirklich gut zu klappen, auch über Distanz eine Nähe aufzubauen.
Oft machen wir Kreuzworträtsel oder Quiz. Durch das Online-Format sind wir auch auf andere Themen gekommen. Da meine Klientin nun auch Einblick in meinen privaten Berreich hat, sprechen wir nun auch oft über das Essen. Davor hatte sie mir oft erzählt, dass sie eigentlich keinen Appetit mehr hat. Nun, seit den Online-Besuchen, sprechen wir oft übers Essen, und das auch sehr lustvoll. Oft fragt sie mich von sich aus, was ich heute kochen werde oder was ich gegessen habe. Ich denke, dass wenn ihr das Essen wieder schmeckt, auch ihr gesamtes Leben etwas lustvoller geworden ist.
Weiters ist es für mich weitaus leichter, über Skype meine Grenzen zu wahren und bei depressiven Stimmungen etwas weniger mitzuschwingen. Das macht es auch für mich angenehmer.
Begleiterin M.:
Ich saß bei Fraus S. am Bett. Sie war an diesem warmen Sommertag sehr müde und niedergeschlagen. Ich hielt ihre Hand und streichelte diese. Das mochte Frau S. gerne und erwiderte es immer wieder mit einem sanften Lächeln. Schweigend sahen wir uns an, bis Frau S. langsam ihre Augen schloss und bald danach einschlief.
Ich hielt weiterhin ihre Hand und beobachtete ihr entspanntes Gesicht. Nach etwa fünf Minuten breitete sich in mir eine innere Unruhe aus und ich fragte mich, ob es denn in Ordnung sei, einfach nur da zu sitzen, obwohl Frau S. doch schlief. Ich beschloss lieber wieder zu gehen und versuchte dabei vorsichtig, meine Hand von ihrer zu lösen.
In diesem Moment wachte sie auf, umklammerte fest meine Hand und sagte laut "Nein!". Sie schlief sofort wieder ein. Somit blieb ich weiterhin bei ihr sitzen und verfiel in Gedanken.
Mir wurde dank dieser Situation bewusst, dass einfach nur dazusitzen bzw. einfach nur da zu sein oft schon reicht oder genau perfekt sein kann. Und gemeinsames Schweigen wunderschön sein kann. Und das konnte ich mit Frau S. noch unzählige Male erleben.
Begleiterin Natalie:
Vor 9 Monaten stand Natalie zum ersten Mal vor der Wohnungstüre von Frau W. Diese hatte eine Begleiterin für kulturelle Aktivitäten gesucht. Die ersten drei BewerberInnen wimmelte sie ab. Erst Nummer vier, Natalie, eroberte das Herz der alten Dame.
"Ich habe sie von Anfang an gemocht", sagt die 82-Jährige.
"Es ist ein Riesenglück, sie ist genau die Person, die ich gesucht habe. Ich lerne so viel von ihr, auch über mich selbst", so die 22-jährige Natalie. "Wenn jemand schlechte Augen hat, so lese ich ihm vor. Wenn jemand früher gern gereist ist, mache ich eine imaginäre Reise im Kopf mit ihm."
"Sie gibt mir sehr viel", freut sich die alte Dame über ihre junge Begleitung.
Begleiterin M.:
Ich besuche die Dame seit gut 1 1/2 Jahren. Sie hat mittlerweile ihren 91. Geburtstag gefeiert. Nachdem sie an Alzheimer Demenz erkrankt ist, nimmt ihr sprachliches Ausdrucksvermögen ab. Ich empfinde es als Schatzsuche zu entdecken, was dem Menschen Kraft und Würde geben könnte. Bei einem meiner Besuche war die Dame verwirrt und aufgeregt, hat laut und schwer geatmet. Da sie ihre Religion immer gelebt hat, habe ich ihr angeboten, das ‘Vater unser’ vorzusingen. Sie hat genickt, ich habe gesungen und etwas schönes zeigte sich: Die Dame hat die Augen geschlossen, ihr Gesicht hat sich entspannt und ihr Atmen wurde ruhiger. In meiner Wahrnehmung war sie ganz in sich und es war eine besondere, stille Atmosphäre im Raum...
Das ist eines meiner Erlebnisse, die mir durch die Besuche geschenkt werden. Dieses Bild und die Gefühle, die ich dabei hatte, werde ich lange in mir tragen und dafür bin ich dankbar.
Besucherin in Döbling:
Ich gehe Frau F. zweimal pro Woche ca. je eine Stunde besuchen. Nach einer Zeit, wo ich nur ihre Hand streichelte und ihr vorsang, begann ich, ein paar Schritte mit ihr zu gehen, wenn möglich im Garten, den sie sehr genießt. Sofern sie Lust und Kraft hat, überhaupt aus dem Bett aufzustehen, tun wir das seither. Oft aktiviert sie das und sie spricht einige Sätze. Höhepunkt war, dass sie einmal zu ‘Liebe Schwester, tanz mit mir’ mitgesungen hat.